Für einen Monat Teil der deutschen Gesellschaft
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finan-zierten und vom Deutschen Forstverein koordinierten „Forest Expert Program” konnte ich im August 2016 an einem großartigen einmonatigen Praktikum teilnehmen. Dies ermöglichte mir einen breiten und zugleich tiefen Einblick in die alltäglichen Angelegenheiten der deutschen Forstwirtschaft.
Mein Hauptgastgeber war die Landesforstanstalt ThüringenForst, deren Tätigkeitskreis ähnlich dem meines ungarischen Arbeitgebers (eine staatliche Forst-Aktiengesellschaft) ist. Das thüringische Programm war an und für sich schon sehr präzise und ausführlich, mir wurde die ganze Struktur „vom Scheitel bis zur Sohle“, vom leitenden Ministerium bis hin zu den Forstämtern und Revieren vorgestellt. Ich nahm auch an interessanten Veranstaltungen teil, wie dem groß angelegten Waldtag am Stausee Hohenfelden oder einem Wald-Gespräch mit Bürgern der Stadt Sondershausen.
Zum individuell für mich organisierten Hospitationsprogramm gehörten Besuche bei unterschiedlichen forstlichen Organisationen in ganz Deutschland, so war ich beim Deutschen Forstverein in Göttingen, beim Deutschen Forstwirtschaftsrat in Berlin, beim Privatforstbetrieb Fürst zu Fürstenberg in Donaueschingen, bei den Niedersächsischen Landesforsten in Braunschweig, beim „Großstadtforstbetrieb“ Berliner Forsten und beim „Kleinstadtforstbetrieb“ Stadtforst Fürstenwalde zu Gast. Dies bedeutete einerseits viele Reisen, gleichzeitig aber auch eine ständige Abwechslung, die das Praktikum noch reicher und nützlicher machte.
Das Programm umfasste ein weites Spektrum von Themen, die ich bei den verschiedenen Forstbetrieben und Organisationen in vielfältigen Facetten, teilweise eng mit einander verflochten, wahrgenommen und erlebt habe:
- Waldbau, Jagd,
- Holzernte, Holzvermarktung,
- Hoheit, Forsteinrichtung, Förderung und Betreuung von Privat- und Körper-schaftswald, Naturschutz,
- Wirtschaftsplanung, Controlling, interne Revision,
- Öffentlichkeitsarbeit, Tourismus, Umweltpädagogik,
- Bildung, Arbeitsschutz,
- Maschineneinsatz, Wegebau,
- Forstpolitik, Interessenvertretung, Lobbytätigkeit.
Es gab auch einige Besonderheiten, die in Ungarn noch nicht zum Bereich der alltäglichen Forstwirtschaft gehören, wie z. B. Bestattungswälder, Windkraftanlagen und Ökopunkte. Es war besonders interessant, auch in diese Bereiche hineinblicken zu können. Es gab es auch Bereiche, wo man einige Ideen aus der deutschen in die heimische Praxis umsetzen könnte. Während dieser Zeit wurde mir zum Beispiel klar, welche wichtigen Aspekte der Jagd, der Walderschließung und der Forsteinrichtung die Verbreitung von Dauerwald in Ungarn erschweren. Erst wenn man diese Probleme erkennt, kann man gegen sie etwas unternehmen. Manche konkrete Ideen kann man auch direkt anwenden, z. B. die Pivot-Tabellen im Controlling, die Online-Terminkalender für die Organisierung von Teamarbeiten, die Zahlungsversicherung der Holzverkäufe oder das System der Jagdorganisation. Ich sah auch, wie allgemeine Grundprinzipien, wie Gründlichkeit, Voraussicht und Effizienz, indirekt, aber auf lange Sicht dennoch sicher ihre Wirkung ausüben.
Das „Forest Expert Program“ bietet eine einzigartige Möglichkeit zu praxisorientierter, komplexer und flexibler Weiterbildung. Ich konnte dadurch nicht nur mein forstwirtschaftliches Wissen wesentlich erweitern, sondern auch meine Sprachkenntnisse und meine Allgemeinbildung. Das war aber nicht alles. Für einen Monat wurde ich quasi ein Teil der deutschen Gesellschaft, ich markierte Z-Bäume im Schwarzwald, aß Thüringer Bratwurst, trank deutsches Bier und bewunderte die Glaskuppel des Bundestags.
Ich bedanke mich herzlich für diese wundervollen Erlebnisse bei allen, die dazu beigetragen haben. Danke!
Ákos Iványi